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Vom
Leben auf dem Lande
Im
heißen Sommer vertrocknet der Garten, vom Holz hacken sind
die
Knochen lädiert und zu Besuch kommt niemand. Kein Werbeschild
im
Eigenheimfassadenformat, das Eisträume verspricht. Erst im
zwölf
Kilometer entfernten Städtchen lässt sich gegen Geld
an Maschinen
schwitzen und am Wochenende begegnen mir Fremde im Flusstal, die
wegen des Weichspülers in ihrer Garderobe zu riechen sind,
bevor sie
die Wegbiegung betreten. Kein Bio-Laden im Ort; die Bäckerei
führt
keine Croissants, die einzige Kneipe kein Becks (auch keine
Bionade), kein Tattoo-Studio verhübscht Rentnerinnenwaden,
keine
Galerie zeigt, wie Kunst heute aussehen muss; niemand fragt auf
Englisch nach dem Weg zur Mitte (höchstens der Paketzusteller,
auf
Deutsch, nach einer Hausnummer, von
der ich nicht genau weiß, wo die zu finden ist,
aber den
Grünler Karlheinz kenne, der dort wohnt) und Freunde trifft
man nur
bei Facebook.
Nichts
als Sorge, Last und Ödnis - für die Journalistin, die
aus der
Metropole kommt und mein Leben erkunden möchte. Sie fragt, ob
es
denn hier etwas gebe, was nicht provinziell sei? Na freilich! Die mit
Stöcken bewaffneten Wanderer trifft man auch hier.
Gelegentlich
rollt ein Wagen vorbei, aus dessen Innerem dumpfe
Trommelklänge
durch die Dorfstraße sausen. Und neulich sah ich ein
Schulmädchen,
das, auf sein Smartphone starrend, beinah gegen einen Betonmast lief,
wäre es nicht wegen des kläffenden
Nachbarhündchens aufgeschreckt
worden. Nein, besprühte Häuser findet man keine im
Dorf. Aber vor
Jahren brannten regelmäßig die Container
für Altpapier. Das waren
doch wahrhaft großstädtische Ereignisse!
Was
mich hier halte? Die Möglichkeit, ungestört, in Ruhe
und
konzentriert sich meinen Arbeiten zu widmen; die Herrlichkeit der
Landschaft; der Garten, der mich ernährt; die Natur als
Anregung und
Maß für das künstlerische Schaffen ebenso
wie für Geist und
Seele; viel Platz in Wohnung und Atelier und das schöne
Gefühl,
alleine weniger einsam zu sein als unter Tausenden in lauten und
unansehnlichen Großstadtstraßen.
Ob
mir nichts fehle? Im Dorf gibt es niemanden, mit dem ich über
die
Künste reden könnte; in der Nähe
hätte ich gern ein Kino mit
gutem Programm und Restaurants mit fremder Küche. Und wenn
hier
jemand Schach spielen würde...
Das
sind aber auch gute Gründe, gelegentlich die Freunde in der
großen
Stadt zu besuchen.
Uwe
Klos, im Juli 2013.
(Dieser
Text wurde veröffentlicht im Katalog "Provinz -
vierzig künstlerische Bekenntnisse", eine Ausstellung des
Verbandes Bildender Künstler Thüringen in der Galerie
Waidspeicher, Kulturhof zum Güldenen Krönbacken,
Erfurt,
5. Oktober bis 24. November 2013.)
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